Wenn man wissen will was Turnen ist, dann muss man ein Deutsches Turnfest besuchen. Dieser Ausspruch traf den Kern des Turnfestgedankens: inhaltlich ein Spiegelbild der Vielfalt der Aktivitäten und der aktuellen Strömungen im Deutschen Turner-Bund zu sein und Anregungen für die zukünftige Arbeit im Verein zu geben. Und das alles „verpackt“ in ein fünftägiges Fest, bei dem das gemeinsame Feiern im Vordergrund stand. Mit vielen attraktiven Showveranstaltungen, einer bunten Palette von Mitmachangeboten, Vorführungen und Workshops zum Mitmachen und dem Turnfestmarkt wurden die besten Voraussetzungen dafür geschaffen. Das Organisationskomitee hat ein äußerst vielfältiges und attraktives Turnfestprogramm zusammengestellt. Es galt nun für die vielen tausend Turnfestteilnehmer, sich intensiv auf dieses größte Turnereignis der nächsten Zeit vorzubereiten. In der 22. Kalenderwoche, vom 28. Mai bis 01. Juni, fand in der sächsischen Sportmetropole Leipzig das Internationale Deutsche Turnfest statt. Eine gute Gelegenheit, mit einer großen Kunstturngruppe unseres Vereins mit den Sachsen und hunderttausenden Gästen in der Stadt Turnfest zu feiern, in der 1989 das Tor zur Freiheit und Wiedervereinigung Deutschlands aufgestoßen wurde. Mit einer großen Feier ist das Turnfest eröffnet worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wünschte dem Spitzen- und Breitensport-Event, dass es ein Signal der Stärke, der Fairness und des Zusammenhalts für Leipzig und das gesamte Land setzen möge. Der Bundespräsident hat die Schirmherrschaft des Turnfestes inne. Turnfeste sind auch ganz besondere Events für alle Generationen. Es wurden Brücken geschlagen zwischen Jung und Alt, Teilnehmern und Zuschauern, Einheimischen und Gästen. Bereichert wurde das Turnfest durch die Turnfest-Akademie mit dem weltweit größten Aus- und Fortbildungsprogramm für Führungskräfte und Übungsleiter.
Nur alle vier Jahre präsentiert der DTB beim Turnfest all seine Glanzlichter und Topacts gebündelt in einer einzigen Show – der Stadiongala. Die Stadiongala stellt das Herzstück jedes Turnfestes dar und wurde in der Red Bull Arena nach acht Jahren endlich wieder aufgeführt. Unter dem Motto „Leipzig verbindet!“ präsentierten 3.500 Mitwirkende die Geschichte der Stadt Leipzig sowie die Vielfalt und Faszination des Turnsports. Für musikalische Highlights sorgte unter anderem die beliebte Leipziger Band Die Prinzen, die in ihrer Heimatstadt mit einer besonderen Nummer die 40.000 Zuschauer begeisterte. Das Internationale Deutsche Turnfest (IDT) bot für jede und jeden etwas. Ob Aktive oder Turnfest-Touristen, es gab zahlreiche Gelegenheiten zum Gemeinschaftserlebnis, wie bei der Eröffnungsfeier auf der Festwiese, der Turnfest-Gala, bei den großen Showveranstaltungen, bei der Show der Sieger sowie beim „Rendezvous der Besten“. Die vielen Schauvorführungen machen jedes Turnfest unwiderstehlich. Die weltoffene Stadt der Turnfeste und Sportstadt Leipzig war während der Festwoche auch für unsere 59-köpfige Delegation des TSV Buchholz 08 der Nabel der (Turnfest-)Welt. Nirgends lässt sich besser erleben, wie viel Freude Sport macht und welch gutes Miteinander er stiftet. Es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, die Arbeit der Turn- und Sportvereine zu präsentieren, als bei dieser faszinierenden und einzigartigen Sportveranstaltung.
Bei diesem Turnfest standen neben Turnen, verschiedensten Mitmachangeboten, Sport und Spiel aber auch andere wichtige Dinge im Mittelpunkt, die unser Gemeinwesen bereichern: Geselligkeit, Kommunikation, gemeinsames Feiern, Integration – und das alles generationsübergreifend. Es gab in vielen Hallen und Sportplätzen auch jede Menge nahezu unbekanntes an „Randsportarten“, die ansonsten ein Schattendasein im kleinen Insider-Kreis fristen, zu entdecken – meist sogar bei freiem Eintritt. Ziel des Turnfestes war es, ein Event für alle Menschen zu sein – unabhängig von Alter, Hautfarbe, Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Behinderungen und Beeinträchtigungen oder sozioökonomischer Möglichkeiten. Deswegen war Inklusion ein zentrales Thema, um die gleichberechtigte Teilnahme und Teilhabe aller Menschen am Sport zu fördern. Barrieren wurden abgebaut und es wurden Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt und umgesetzt. Somit konnten auch Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen das Turnfest aktiv erleben. Vereins- und Gruppenvorführungen, die die praktische Vielfalt des Turnens zeigen, fanden auf dem Turnfest eine ideale Plattform und ein tolles Publikum. Auf dem großen Turnfestgelände entfaltete sich jeden Tag von morgens bis abends ein faszinierendes Programm mit Shows, Lehrvorführungen, Workshops, Demonstrationen, Unterhaltung, Ausstellungen und vielen anderen Angeboten rund um das Thema Lernen und Lehren. Das Turnfest war besonders ein Kulturfest. Turnen versteht sich seit jeher als ein Teil der Bewegungskultur. Der Deutsche Turner-Bund ist in seiner Tradition, in seiner Ausbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, in den sportlichen und musisch-kulturellen Angeboten seiner Vereine sowie in dem ständigen Bemühen, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. In den Turnfesten findet dies – wenn auch mit unterschiedlicher Intensität – einen überall spürbaren Ausdruck. Turnspezifische Kultur zeigte sich in der Präsentation faszinierender Bewegungen und in den Bewegungsbildern der zahlreichen Shows. Sie wurde deutlich in der Anstrengung um die Leistung beim Wettkampf und für viele körperlich-sinnlich erlebbar im Rahmen der Mitmachangebote. Kulturelle Aktivität wurde aber auch ermöglicht durch zahllose Gesprächs- und Bewegungsanlässe sowie in der Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit, im Miteinander der verschiedenen Altersgruppen und Geschlechter. Turnfeste sind schließlich Anlässe, sich mit der Vergangenheit zu konfrontieren, Gegenwart zu erleben und Visionen für die Zukunft der Bewegungskultur zu entwerfen.
Wir lernten in Leipzig die unzähligen Sehenswürdigkeiten kennen und wir genossen die Gastfreundschaft. Die Nikolaikirche war einst Treffpunkt für die Montagsdemonstrationen, die im Jahr 1989 den Sturz des DDR-Regimes herbeiführten. Die Bürger waren offen, neugierig und gewohnt, mit Trubel umzugehen. Wir ließen uns während unseres Aufenthaltes von dem Flair und dem Turnfestglanz der Veranstaltungszentren einfangen. So lautete auch für unsere Kunstturngruppe des TSV Buchholz 08 das Turnfestmotto: „Turnen geht immer!“ Es war ein „Multisportevent der Superlative“, die Atmosphäre war mega. Junge Turner trafen ältere, Breitensportler trafen Spitzensportler, ein emotionaler Höhepunkt jagte den nächsten. Zum Internationalen Deutschen Turnfest kamen mehr als 80.000 Teilnehmer/innen aus 11 Nationen und über 100.000 Gäste nach Leipzig. Es stieg ein vielfältiges Programm, das die Stellung des Turnfestes als weltweit größtes Wettkampf- und Breitensport-Event bestätigte. Über 3.000 Vereine hatten ihre Aktiven in 23 Sportarten und zu mehr als 400 Wettkämpfen in 47 Veranstaltungsstätten gemeldet, darunter zehn nationale Titelkämpfe, die Kunstturn-Europameisterschaften der Frauen und Männer und eine Weltmeisterschaft. Über 5.000 ehrenamtliche Helfer/innen sorgten für einen organisierten Ablauf, viele von ihnen als Betreuer in den 150 Schulen, die traditionsgemäß als Übernachtungsquartiere zur Verfügung standen. Das Deutsche Turnfest ist einzigartig. Die Athleten feierten und luden die Sachsen zum Mitmachen ein. Nahezu eine Woche lang wurde die multikulturelle Metropole für unsere Kunstturn-Delegation zum Schaufenster des Spitzen- und Breitensports. Auch die Wettkampfstätten präsentierten sich in gutem Zustand. So bot die Quarterback Immobilien Arena optimale Bedingungen für atemberaubenden Spitzensport. Neben den „normalen“ Publikumsmagneten wie Völkerschlachtdenkmal, Augustusplatz, Thomaskirche, Bundesverwaltungsgericht, Gohliser Schlösschen, Zoo, Leipziger Passagen, etc. bestaunten wir auch die sport- und turnhistorischen Sehenswürdigkeiten der einstigen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK). Die umliegenden Sportvereine, die das Herzstück des Sports bilden, freuten sich auf unseren Besuch.
Dabei sein und feiern war für unsere Kunstturn-Elite aber nicht das Nonplusultra. In den entscheidenden Momenten konzentrierten sich unsere Top-Turner/innen auf das Wesentliche. Nun, nach Abschluss der Festwoche, kann eine sagenhafte Bilanz gezogen werden: Aus unseren Reihen kommen eine Bundessiegerin, zwei Vize-Bundesiegerinnen, ein deutscher Vizemeister sowie zahlreiche vorderste Platzierungen unter Deutschlands besten Gerätekünstlern. Exakt 25 Jahre nach dem erstmaligen Gewinn eines deutschen Meistertitels durch Marc Kowoll schrieb Jannik Stolp nach sage und schreibe einjähriger Verletzungspause in einem kaum mehr zu toppenden Finale ein weiteres Kapitel 08-Kunstturngeschichte. Der Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums sorgte mit phänomenalen Leistungen im elitären Starterfeld der besten deutschen Mehrkämpfer für ein starkes Comeback. Verletzungsbedingt konnte sich Jannik nur zwei Wochen vorbereiten und musste sogar komplett auf das Training von zwei leichtathletischen Disziplinen (Sprint und Weitsprung) verzichten. Mit Kampfgeist, Willenskraft, Durchhaltevermögen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wurde er am Abschlusstag der Mehrkämpfe bei der Siegerehrung als Deutscher Vizemeister in der Altersklasse der (AK) 16/17 geehrt. Dabei überzeugte der Siebzehnjährige wie gewohnt nicht nur mit hohen Noten am Boden (12,80 Punkte), am Barren (12,10) und am Reck (12,60) in den kunstturnerischen Disziplinen, sondern spulte im Stadion des Friedens wie ein „Schweizer Uhrwerk“ auch die drei leichtathletischen Anforderungen ab und erreichte mit 12,70 Sekunden im 100-m-Lauf; 5,42 m im Weitsprung sowie mit 10,68 Metern im Kugelstoßen drei herausragende Resultate. Im Jahr 2021 wurde das Multitalent in Wiesbaden Deutscher Schülermeister im Deutschen Sechskampf der AK 12/13 und 2023 gewann Jannik DM-Silber bei den 14/15-Jährigen im vielseitigen Jahn-Sechskampf (Turnen, Leichtathletik, Schwimmen). Insgesamt erreichte Jannik 67,457 Punkte und musste sich mit der hauchdünnen Winzigkeit von nur 10/100 Punkten Rückstand auf den Sieger Joris Wiegand vom TV Ober-Ramstadt geschlagen geben. Quasi als „Sahnehäubchen“ obendrauf positionierten sich unsere Spitzenturner/innen bei der Jugend-DM. Mit vier Athletinnen und Athleten des deutschen Spitzensports waren wir darüber hinaus in der beeindruckenden Multifunktionshalle der Arena und in der Messehalle 1 im Kampf um die Deutschen Jugendmeisterschaften der Altersklassen (AK) 12 bis 15 im Kunstturnen vertreten. Unsere beiden Turn-Brüder Jan Felix Hermann (12) und Max Henri Hermann (13) sowie Vladyslava Ozinkovska (12) und Lilly-Sophie Heilandt (13) hatten an zwei Tagen einen Meisterschaftswettkampf an den olympischen Turngeräten zu absolvieren und schlugen sich dabei prächtig. Bundeskaderturner Jan Felix wurde nach einem sensationellen Pflicht- und Kürwettkampf Sechster, Bruder Max Henri platzierte sich als Zehnter im Zwölfkampf. Im Gerätefinale am Königsgerät Reck eroberte sich Max die sechste Position.
Für unsere Bundesligaturnerin „Vlada“, die von Katharina Kort ausgebildet wird, sprang ein sagenhafter Rang 9 heraus und Landeskaderturnerin Lilly positionierte sich im Vierkampf auf dem 19. Platz. Auf den Wellen der Begeisterung wurde „Vlada“ anschließend von ihren Vereinskameradinnen in unsere Schulunterkunft begleitet. „Darauf habe ich die letzten Monate hingearbeitet. Das ist ein Meilenstein in meiner Karriere“, so die Zwölfjährige. Herausragend: Im Gerätefinale am Stufenbarren turnte sich „Vlada“ am 01. Juni auf dem Podium der herausgeputzten EM-Arena in der Messehalle 1 auf den fünften Platz. Top. Bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften setzten Meike und Finn Scholz ebenfalls turnspezifische Glanzlichter: Im Meisterschaftswettkampf der Altersklassen (AK) 50 bis 54 kam Meike als Sechste unter die Top Ten und Finn wurde Zwölfter. Durchgängig gute Leistungen attestierte das Trainerteam auch den anderen Akteuren: Juliane Grunwald (16) und Vienna Lüdders vertraten die Farben des TSV Buchholz 08 beim Deutschland-Cup auf Bundesebene. Mehr als 120 Eliteturnerinnen aus nahezu allen Landesturnverbänden gingen zur nationalen Endausscheidung im hochwertigsten Wettbewerb der schwierigsten nationalen Kürklasse an die olympischen Geräte. Juliane wurde im elitären Starterfeld der besten Jugendturnerinnen beim Turnfestauftakt Zehnte im Vierkampf der Altersklasse (AK) 16/17 und holte sich darüber hinaus mit famosen 13,80 Punkten die Silbermedaille im Gerätefinale am Sprung. Die erst elfjährige Vienna kam in der Altersklasse (AK) 12/13 auf den elften Platz. Herausragende Erfolge feierten unsere Athletinnen bei den international besetzten Bundes-Pokalwettkämpfen der Special Olympics-Turnerinnen. Leonie Schmid stand bei der Siegerehrung als Bundessiegerin auf dem obersten Siegerpodest. Die Zwanzigjährige brachte auf dem Weg zum Bundesgipfel ihre turnerischen Leistungen zum Jahreshöhepunkt minuziös und exakt auf den Punkt. Mit 32,70 Punkten (Level C) erzielte sie ein exzellentes Vierkampfresultat und erreichte mit 9,15 Punkten ihren Höchstwert am Sprung. Bianca Becker (13) eroberte sich punktgleich mit einer Turnerin aus Litauen mit 68,80 Punkten (Level 3 & 4) die Silbermedaille. Amelie Janßen (12) setzte mit einem Kür-Vierkampf par excellence (Level 2) und dem Gewinn der Silbermedaille den Schlusspunkt unter die makellose Präsentation von unserem 08-Trio. Mit achtunggebietenden Positionen beendeten auch die weiteren 08-Kunstturnerinnen und -turner die nationalen Bundes-Pokalwettkämpfe. In Teilnehmerfeldern von teilweise weit über 550 Athleten wurde Lino Scholz (11) in der Leistungsklasse (LK) 2 Siebter. Die weiteren Positionen unter den Top 50: Laura Claessen (16.), Latisha Lange (27.), Lucio Becker (29.), Patricia Pansegrau (45.). Party pur und eine fantastische Stimmung herrschte im Besonderen bei den nationalen Mixed-Wettkämpfen in der Sporthalle der Brüderstraße. Auch hier positionierten sich unsere Turn-Asse in riesigen Starterfeldern im Spitzenfeld: Das Duo Juliane Grunwald/Pablo Broszio kam auf den fünften Rang und Maria Heitmann/Timon Raunecker eroberten sich den achten Platz. Die weiteren Platzierungen im Einzelnen: Daria Hofmann/Patrick Bär (20.), Pia Bätz/Jasper Krautzig (28.), Latisha Lange/Jonas Hagedorn (31.), Laura Claessen/Alexander Witte (36.) und das erst 11-jährige „Küken-Duo“ Vienna Lüdders/Lino Scholz kam auf die 52. Position. Des Weiteren belohnten sich Sina Lerche im Turnfest-Wahlwettkampf mit der Silbermedaille, Gianina Jungmann wurde Zehnte und Franziska Bachsmann erturnte sich den 17. Platz. Das respektheischende nationale Abschneiden übertrifft alles bisher Dagewesene. Damit hatte keiner von uns auch nur im Entferntesten gerechnet. Wir freuen uns nun auf das nächste Internationale Deutsche Turnfest in vier Jahren in München.
Bernward Bade
FOTOS: Vladyslava Ozinkovska, Jan Felix Hermann und Jannik Stolp (Fotos TSV 08)